Antisemitismus in Deutschland – Steigende Straftaten und der Zahlensalat

Lesedauer 17 Minuten

Der Zweite Teil zuAntisemitismus in Deutschland geht zurück

Behandelte der erste Teil der Betrachtung zu Antisemitismus in Deutschland den durch Studien belegten erfreulichen Rückgang antisemitischer Ansichten und Meinungen, so beschäftigt sich dieser zweite Teil mit dem weniger erfreulichen Anstieg der in polizeilichen Statistiken dokumentierten antisemitischen Straftaten, den verschiedenen Datensammlungen und Sichtweisen einzelner NGOs dazu und den unterschiedlichen Daten bezüglich jüdischen Lebens in Deutschland.

Gedehnt über das gesamte Jahr 2021 werden wir medial und politisch daran erinnert, dass wir uns im Jubiläumsjahr „ 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ befinden. Innerhalb dieser von Vielfalt und Bereicherung des kulturellen, intellektuellen und religiösen Erbes Deutschlands und Europas geprägten 1.700 Jahre gab es „helle wie dunkle Kapitel“, wie Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble es in seiner Rede anlässlich des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2021 im Bundestag formulierte.

Das zweifelsohne dunkelste Kapitel war die Zeit des Nationalsozialismus mit dem barbarischen Menschheitsverbrechen der staatlich angeordneten Vernichtung von sechs Millionen Juden. Größtenteils ermordet in Konzentrationslagern wie Auschwitz, aber auch durch Massaker in den von der Wehrmacht eroberten Gebieten.

Wie viel Juden leben in Deutschland?

Lebten 1933 ca. eine halbe Million Juden in Deutschland registrierte im Jahr 2019 der Zentralrat der Juden 94.771 Juden in seinen deutschen Gemeinden und Landesverbänden. (Abraham Lehrer, Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland sprach unlängst von „120.000 bis 150.000 Juden in Deutschland“) Zum Vergleich: Nach Angaben des Innenministeriums leben derzeit 4,4 bis 4,7 Millionen Muslime in Deutschland.

Die Diskrepanz in den Angaben zu den in Deutschland lebenden Juden dürften daher rühren, dass zwar viele der aus der ehemaligen Sowjetunion mit Kontingentstatus nach Deutschland einwanderten, jedoch als sogenannte „Pass-Juden“ nach dem jüdischen Religionsgesetz keine anerkannten Juden waren, und sich somit auch nicht den jüdischen Gemeinden anschlossen. „Wir kamen als Russen. Aber erwartet hat man hier Juden!“, brachte es eine jüdische Zuwanderin aus Russland auf den Punkt.

Der liberale, nicht fest angestellte Wanderrabbiner Walter Rothschild schrieb dazu in der „Jüdische Allgemeine“:

Wie verankert man die wenigen gläubigen Juden in einer Gemeinde, die sich selbst nur als Sozialdienstleister und Milchkuh für den Geschäftsführer versteht? …… in jüdische Gemeinden integrieren, in der keiner koscher isst, die wenigsten ihren hebräischen Namen kennen und niemand zum Gottesdienst kommt

Von wie vielen in Deutschland lebenden Juden sprechen wir nun? Wie viele davon sind liberale Juden, Reformjuden oder orthodoxe Juden, sind also nicht nur an hohen jüdischen Feiertagen religiös orientiert und tragen also auch außerhalb von Synagogen z. B. eine Kippa? Wie viele sind säkular, also nicht religiös und halten sich nicht, oder nicht besonders streng an jüdische Gesetze?

Nachdem ich bei der Recherche auf widersprüchliche Angaben z.B. auch auf der Website der „Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern“ stieß, telefonierte ich dort zuerst mit einer netten Dame, die mich abschließend darum bat, mein Anliegen doch schriftlich reinzureichen, da sie jetzt nicht sagen könnte mit wem sie mich zwecks kompetenter Antwort auf meine Fragen verbinden könnte. Nachdem ich also schriftlich um Beantwortung meiner Fragen zu Zahlen „jüdischen Lebens“ in der zweitgrößten jüdischen Gemeinde Deutschlands bat, warte ich (siehe Datum der Artikelveröffentlichung oben) seit Anfang Februar 2021 auf die Beantwortung.

Jüdisches Leben in Deutschland. Viel zitiert, doch unauffällig.

Kann man sich wegen fehlender oder zumindest widersprüchlicher Angaben über die personelle Ausprägung „jüdischen Lebens“ in Deutschland jetzt kein zahlenmäßiges Bild machen, so wird es trotz allem von Politikern und Journalisten -sehr unpräzise-  als wohl keiner weiteren Erläuterung bedürfendes Bild- thematisiert.

Wo findet man es, wo findet es statt dieses „jüdische Leben in Deutschland“? Hangelt man sich durch die verschiedenen Aussagen zu diesem Thema, landet man unweigerlich in den Begegnungsstätten Synagoge oder Gemeinde- und Kulturzentrum. Hier spielt sich offenbar „jüdisches Leben“ in Deutschland ab. Lassen wir öffentliche Klezmer Musik Veranstaltungen mal außer Acht, so findet „jüdisches Leben“ offenbar nur im Familienkreis oder den jüdischen Gemeinden, jedoch selten bis gar nicht in der Öffentlichkeit statt.

Das wird umso verständlicher, wenn man sich der in schöner Regelmäßigkeit publizierten Warnungen vor, und Beobachtungen von antisemitischen Straftaten bewusst wird, sich Umfragen unter Juden zu persönlichen Erfahrungen oder aus zweiter Hand stammender Einschätzungen gegenüber Antisemitismus, aber auch polizeiliche Statistiken zu angezeigten antisemitisch konnotierten Straftaten ansieht.

Polizeilich erfasste Straftaten ansteigend.

So weisen die von BKA und den LKAs veröffentlichten Zahlen leider ein Ansteigen der bei ihnen registrierten, mit Antisemitismus in Verbindung stehenden Straftaten aus.

Die auf Anfrage vom LKA-Bayern (BLKA) mit der Drucksache  18/7301 des Bay. Landtags übermittelten Zahlen zeigen einen Anstieg der antisemitischen Straftaten von 166 im Jahr 2014 auf 310 im Jahr 2019. 12 Personen, davon 4 leicht und 8 unverletzt wurden 2019 Opfer antisemitischer Straf- und Gewalttaten.

Der weitaus größte Teil der Straftaten entfiel auf die Straftatbestände „Volksverhetzung“ und „Tragen verbotener Kennzeichen“.  In gut der Hälfte der im Jahr 2019 zur Anzeige gebrachten Fälle wurden die Verfahren eingestellt. (Zum Vergleich: Wurden Deutschlandweit  2018 „nur“ 1.799 antisemitisch motivierte Straftaten registriert, waren es 2019 bereits 2.032. Davon allein in Berlin 281)

Da bei der bloßen numerischen Aufzählung  des Straftatbestands „Gewalttat“ der meist durch Film und Fernsehen beeinflussten Fantasie des Lesenden keine Grenzen gesetzt sind, lohnt sich ein Blick auf eine als Beispiel dienende Beschreibung einer Körperverletzung. In der Statistik des BLKA aus dem Jahr 2017 findet man in den Angaben zu „Gewaltdelikt in Form einer Körperverletzung“ bei antisemitischen Straftaten: „Dieses [einzige im Jahr 2017 verzeichnete] Gewaltdelikt wurde im Regierungsbezirk Oberbayern  begangen.  Als  Tatverdächtiger  wurde  ein  53-jähriger Deutscher geführt, der im Zuge eines Streits das Opfer beleidigt und geschüttelt haben soll“. (Bitte nicht als Relativierung zur Schwere anderer Körperverletzungen missverstehen)

NGOs und die wunderbare Welt der Deutungshoheit bei „antisemitischen Vorfällen

Sieht man von den polizeilichen Statistiken ab, sollte man bei den darüber hinausgehenden Veröffentlichungen zu „Antisemitischen Straftaten“ folgendes nicht außer Acht lassen:

Berichte und Datensammlungen z.B. von NGOs weisen bei den von ihnen dokumentierten Fallzahlen -unter Verweis auf „vieles wird ja offiziell gar nicht mehr angezeigt“- beständig andere, meist höhere Zahlen als die offizielle Kriminalstatistik aus. Z.B. werden darin auch „antisemitische Vorfälle“ wie das nur in Ausnahmefällen verbotene Tragen eines Davidsterns (Judenstern) mit der Inschrift „Ungeimpft“ auf Anti-Corona-Demos aufgenommen.

(Soweit bekannt wurden nur in Wiesbaden und München das Tragen dieses ab September 1941 im Dritten Reich zur Stigmatisierung der Juden eingeführte Symbol im Rahmen von Demonstrationen gegen Corona-Beschränkungen wegen „relativieren nationalsozialistischer Menschheitsverbrechen an den Juden“ verboten. Als auf den Demos gegen das Dieselfahrverbot, z.B. in Stuttgart vereinzelt dieser „Judenstern“ mit der Inschrift „Diesel Fahrer“ auftauchte, wurde das zwar von einem Sprecher der Stadt als „Geschmacklosigkeit“ registriert, jedoch nicht als zu verbietend gewertet)

Die Zahlen von NGOs kranken außerdem zum einen an der mit der in der katholischen Kirche vergleichbaren unentwegten Suche nach Sünden/Verfehlungen, zum anderen an dem bereits im ersten Artikel zu antisemitischen Einstellungen angerissenen Anspruchs so manches „Betroffenen“, zu definieren, „was antisemitisch ist -wenn ich angegriffen werde- entscheide noch immer ich„.

Letzteres erinnert stark an die Sturm- und Drangphase der US-amerikanischen „Political Correctness“ (PC)-Bewegung, in der es an einigen Universitäten verboten war, „Angehörige von Minderheiten abfällig anzuschauen oder in deren Gegenwart laut zu lachen, da dies als Beleidigung aufgefasst werden könnte. Dass man eine bestimmte Person nicht habe beleidigen wollen,  galt nicht als  Ausrede, da die Regel galt, das  Opfer bestimmt, wann es diskriminiert wurde und nicht der vermeintliche Täter“. (Frederik  Pleitgen in „Arbeitspapier Political Correctness in der (inter)nationalen Politik: Zur Genese und Verbreitung eines Konzepts“. -Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin,2001)

Studien und „unwissenschaftliche“ Schlussfolferungen in wissenschaftlichen Untersuchungen.

Dazu ein Rückgriff auf die bereits im ersten Artikel thematisierte „Leipziger Autoritarismus-Studie“ aus dem Jahr 2020 (Die frühere „Mitte-Studie“ unter neuem Namen)

Im Kapitel 7 „Antisemitismus als antimodernes Ressentiment“ geht sie auf die Diskrepanz („Paradox“) zwischen dem Rückgang  antisemitischer Einstellungen einerseits, und der Zunahme antisemitischer Gewalt andererseits ein. Und bietet dafür eine unwissenschaftliche, unbewiesene These an:

Eine Erklärung  hängt  mit  einem  grundlegenden  Problem  von  Wissenschaft  zusammen:  Empirischen  Forschern  und  Sozialwissenschaftlerinnen  ist  vollkommen  bewusst,  dass  nicht  Gefundenes  trotzdem  existieren  kann.  Möglicherweise entgeht uns also aufgrund der seit mindestens den 1980er-Jahren wirksamen Ächtung des Antisemitismus dessen Verbreitung, weil die Befragten ihren Antisemitismus nicht offen äußern“. Frage: Warum dann trotzdem eine „wissenschaftliche“ Ausarbeitung dazu? Und wie soll man die Aussage „dass nicht Gefundenes trotzdem existieren kann“ nun „Verschwörungsanhängern“ verübeln, denen man eine derartige Aussage als Ausweis ihrer geistigen Unzulänglichkeit unterstellt?

Das selbe „Paradox“ findet sich in der im Dezember 2020 veröffentlichten Grundauswertung der Studie „Politische Soziologie der Corona-Proteste“ der Uni Basel, die in der „Querdenken“-Bewegung eine Ansammlung von  Antisemiten vermutete. (Die Studie, eine Mischung aus „Demo-Beobachtung“ und „Auswertung der Fragen an Telegram-Nutzer“, erkannte in den Statements auf den Demobühnen, „eine exemplifizierend traditionell antisemitische Einstellung“)

Doch diese „Annahme“ fand in den Antworten zur einzigen in dieser Studie gestellten Antisemitismus Frage keinen Wiederhall. Die Antworten auf „Auch heute noch ist der Einfluss von Juden auf die Politik sehr groß“, fielen mit 54 % „Stimme nicht zu“, 6 % „Stimme zu“ und 29,6 % „Keine Angaben“ wohl anders als erwartet aus. Doch dafür hatte man eine  „wissenschaftliche“ Erklärung:

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass viele Personen mit latenten antisemitischen Vorurteilen durch Nichtbeantwortung der Frage gewissermaßen “ausgewichen” sind. Unsere Daten reichen dafür bisher nicht aus“.

Um trotz geringer Zustimmungsquote bei dieser Frage eine völlig unhaltbare, von den eigenen Fakten nicht gedeckte „relative Neigung“ zum Antisemitismus der Bewegung zu formulieren.

Insgesamt ist die relative Neigung zum Antisemitismus insofern nicht überraschend, als wir es mit einer Bewegung zu tun haben, die viele Bezüge und eine hohe Neigung zum verschwörungstheoretischen Denken aufweist – und Verschwörungstheorien häufig antisemitische Züge aufweisen“. (Sage noch einer das Propaganda über medial üppig verbreitete Erklärungsmuster nicht wirke. Siehe Anetta Kahane: “Verschwörungsideologien haben Antisemitismus als Betriebssystem“)

Es wäre interessant zu erfahren, wie die Macher der Studie „Politische Soziologie der Corona-Proteste“ einen Vorfall bei einer „Querdenker“-Demo beurteilen würden, bei dem am 19. Febr. 2021 im Baden-Württembergischen Borlanden eine jüdische Mitbürgerin von Gegendemonstranten aus den Reihen von SPD, Linke, FfF und Antifa ausgepfiffen wurde. (HIER im Video ab Minute 7:55)

Doch zurück zu antisemitischen Straftaten und einer nicht auf harte Daten gestützten, sondern vorrangig auf meist diffuser Projektion beruhender Sichtweisen bezüglich des „importierten“ Antisemitismus.    

Das Hü und Hot beim „importierten“ Antisemitismus in Deutschland.

Mit Blick auf die gestiegene Zahl der Migranten hielt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, es für gefährlich, in überwiegend von Muslimen bewohnten Vierteln einiger Städte die Kippa zu tragen. Das war im Jahr 2015.

Ein Jahr später, im Jahr 2016 wurde das vom israelischen „Ministry of Diaspora Affairs – Combating Anisemitismus Division“ in ihrem „Report on: ANTISEMITISM IN 2016anders gesehen. Mit Bezug auf „eine aktuelle Umfrage, die von einer österreichischen Monitoringstelle in 15 europäischen Ländern durchgeführt wurde“ kam man zu dem Ergebnis, die Befürchtungen, dass die neuen Einwanderer aus Ländern mit ausgeprägtem religiösem und institutionellem Antisemitismus das Niveau des Antisemitismus in den Einwanderungsländern erhöhen würden, „haben sich nicht bewahrheitet„.

2017 gaben in der Studie „Jüdische Perspektiven auf Antisemitismus in Deutschland“ der Uni Bielefeld 81 Prozent der Juden, die körperlich angegriffen wurden an, dass die Täter einen mutmaßlich muslimischen Hintergrund hätten.

2018 gab die „Stiftung Erinnerung, Verantwortung“  die Studie „Antisemitismus und Immigration im heutigen Westeuropa“ heraus, in der sie eines der Ergebnisse ihrer Befragung in Belgien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und im Vereinigten Königreich folgendermaßen zusammenfassten: „Antisemitische Einstellungen und/oder antisemitisches Verhalten sind in muslimischen Minderheiten sowie unter Personen, die mit rechtsextremen Gruppierungen sympathisieren, unverhältnismäßig stark präsent“.

2019 veröffentlichte die „Agentur der Europäischen Union für Grundrechte“ (FRA) ihre von Mai bis Juni 2018 unter 16 000 Jüdinnen und Juden im Alter ab 16 Jahren durchgeführte zweite Erhebung über Diskriminierung und Hassverbrechen gegen Menschen jüdischen Glaubens in der EU. Zu den häufigen Täter-Gruppen zählten Menschen mit extremen muslimischen Einstellungen (30 Prozent), gefolgt von Menschen aus der eher linken Szene (21 Prozent), Arbeits- oder Schulkollegen (16 Prozent), Menschen aus dem Bekanntenkreis (15 Prozent) und Personen mit eher rechtsextremen Ansichten (13 Prozent)

Und 2021? Da wird man z.B. im Februar von „Twitter“ gesperrt, wenn man postet, „ein Großteil der körperlichen Angriffe auf Juden in Deutschland gehen von Arabern“ aus. Die Sperre betraf den Berater der israelischen Regierung Arye Sharuz Shalicar, einen in Deutschland aufgewachsenen Juden mit persischen, also iranischen Wurzeln.

Das zionistische Israel braucht Antisemitismus

Was mich erneut zu einem Rückgriff auf den ersten Teil dieser zweiteiligen Artikelreihe „Antisemitismus in Deutschland“ veranlasst. Dort hatte ich ein dem israelischen Staatsgründer und Premierminister David Ben-Gurion zugeschriebenes Zitat aufgegriffen, an dem die zionistische Sichtweise „Israel braucht Antisemitismus“ sichtbar wird. „Wir brauchen den Antisemitismus, er treibt uns die Juden nach Israel zu. Und wenn er schwächelt müssen wir dafür sorgen dass er aufgepäppelt wird“.

Für dieses Zitat fand ich zwar noch immer keine Fundstelle, kann diese Sichtweise jedoch anderweitig belegen. So schrieb 1952 z.B. ein Avraam Sharon in der israelischen Zeitung „Davar“ davon, er „würde eine Gruppe starker junger Männer auswählen“ um sie als Nichtjuden getarnt in Länder zu schicken „wo die Juden in sündhafter Selbstzufriedenheit versunken sind“ und Juden „mit antisemitischen Losungen wie <Saujude>  und  <Jude, scher dich nach Palästina> zu verfolgen“ um ihnen so die Ausreise nach Israel nahezulegen.

Zuvor explodierten 1951 im Irak von zionistischen Organisationen gelegte Bomben in Geschäften und Synagogen um irakische Juden zur Flucht nach Israel „zu bewegen“.

Genaueres dazu in einem Auszug aus „Der Zionismus und sein Popanz

1950 schloss die  Zionistische  Bewegung mit der  reaktionären  Regierung des  Iraks  ein  geheimes  Abkommen ab,  nach dem die  Emigration der Juden dieses Landes  nach  Israel  betrieben  werden  sollte.  Die  irakische  Regierung schloß unter anderem  dieses  Abkommen  ab,  weil  sie  daran  ein  finanzielles  Interesse  hatte:  das Eigentum der ausgewanderten Juden sollte beschlagnahmt werden und in die Hände der  Regierung übergehen.  Sowohl  die  Zionisten als auch die Leute Nouri Saids ( der damalige  irakische  Regierungschef)  waren  mit  diesen  Arrangement  vollauf  zufrieden.  Das  einzige  Problem  lag  darin,  daß  die  irakischen Juden selbst  nicht mit-spielen  wollten.  Nach  ihrem  Verständnis hatten sie  keinerlei  Grund,  aus dem Irak nach Israel  auszuwandern. Ihr Verhältnis zu den islamischen und christlichen Teilen der  irakischen  Bevölkerung war im  allgemeinen harmonisch,  so  wie  das  Verhältnis dieser  Teile  der  Bevölkerung  den  Juden  gegenüber  im  allgemeinen  normal  und konfliktlos  war. 

Da  geschah  etwas Merkwürdiges:  Einige  Bomben  explodierten an verschiedenen  Orten, zum  Beispiel  in  Bagdader Synagogen. Einige Juden fielen den Bomben zum Opfer. Als Resultat gerieten die irakischen Juden in Panik und binnen kurzer Zeit  meldeten sich die  meisten von  ihnen zur Auswanderung nach Israel an. Nach  einiger  Zeit  stellte  sich  ohne  jeden  Zweifel  heraus,  daß  die  Bombenleger Beauftragte  der  Zionistischen  Bewegung  waren. Dies  ist  nicht  die  einzige  Affäre dieser Art. Jedoch wurden zu diesem Fall die Einzelheiten vollständig bekannt“. -Dokumentiert in den Berichten der  Wochenzeitung  Ha’olam  Hazeh  v.  20.4.1966  u.  v.  1.6.1966.)

Selbst wenn man beim Abgleichen der verschiedenen oben angeführten Zahlen und „antisemitischen Vorfällen“ einen gewissen Grad an „selektiver Wahrnehmung“ vermutet,

oder den Alarmismus von NGOs, die Einlassungen von Politikern oder die Selbstauskünfte und Befürchtungen von in Deutschland lebenden Juden als klischeehaft oder überbewertet empfinden mag, Antisemitismus ist in Deutschland –wie in allen anderen europäischen Ländern– auch weiterhin vorhanden.

Doch „nicht mögen“ ist nicht gleich Antisemitismus.

Man kann oder möchte nicht jeden lieben. Es ist auch nicht notwendig. Zumal „nichtmögen“ überraschenderweise gesellschaftlich noch nicht verpönt und auch gesetzlich noch nicht verboten wäre. (Solange es nicht mit einer Straftat einhergeht oder … hüstel, hüstel … es im Rahmen einer noch zu findenden Corona-Maßnahme plötzlich eine Ordnungswidrigkeit darstellen würde)

Glaubt man doch jeden „mögen“ zu müssen, sollte man sich ein peinliches Beispiel aus den letzten Tagen der DDR ansehen. „Ich liebe doch alle, alle Menschen“ verkündete Stasichef Erich Mielke unter lautem Gelächter am 13. November 1989 vor der Volkskammer der damaligen DDR.

Dieses Beispiel mag den Selbstbetrug verdeutlichen dem wir alle aufsitzen. Eine Welt voller Vorurteile, Missgunst und Neid, doch wir, die wir uns zwangsläufig täglich im Spiegel begegnen wähnen uns frei davon? Sind wir nicht! Und doch sind wir nicht zwangsläufig Antisemiten nur weil wir zufälligerweise einem Juden etwas neiden würden. Ein Neider neidet ohne Ansehen der Person. Unabhängig von Rasse, Hautfarbe, Religion oder Herkunft. Er neidet einfach.

Und doch sind Antisemiten unter uns.

Doch diese werden glücklicherweise weniger. Zumindest was idiotische, nicht gerechtfertigte antijüdische Anschauungen betrifft. (Und das nicht etwa, weil sich diese Minderheit in Umfragen/Studien nicht offen dazu bekennen würden) Und nicht in allem, das einige in der wunderbaren Welt der Deutungshoheit  mit Antisemitismus etikettieren möchten, ist auch Antisemitismus drin. „Wenn man die Sichtweise eines Hammers einnimmt, ist man immer auf der Suche nach einem Nagel“, könnte man im Sinn eines etwas abgewandelten, dem Schriftsteller Mark Twain zugeschrieben „Hammer“-Zitats anmerken.

In der oben zitierten Studie „Jüdische Perspektiven auf Antisemitismus in Deutschland“ der Uni Bielefeld findet sich folgende Aussage einer befragten Person „Ich kann oftmals nicht eindeutig feststellen, ob ein Kommentar, der antisemitisch ist, auch antisemitisch gemeint ist. Manchmal habe ich das Gefühl, die Menschen reden Sätze daher, die sie irgendwo gehört haben, ohne den Inhalt zu hinterfragen. Wenn man dann auf die antisemitische Konnotation hinweist, oder nachfragt, gibt es das große Erstaunen“.

Meine Frage dazu: Kritik am Spekulanten George Soros gilt bei vielen in Deutschland lebenden Juden als antisemitisch konnotiert. Doch könnte es sein, das ein Kritiker nicht den Juden, sondern einfach nur das Finanzgebaren dieses Mannes kritisiert?   

Man muss auch nicht über jedes Stöckchen springen,

dass einem bei Handlungen, Äußerungen oder Vergleichen hingehalten wird, weil irgendjemand darin eine antisemitische Anspielung wahrgenommen haben will. „Wer sich auf Demonstrationen gelbe Judensterne anheftet, der ist kein besorgter Bürger. Sondern ein Antisemit.“ So Bundesaußenminister Heiko Maas in einem Meinungsartikel der Welt.

Nur weil es als Mittel der populär gewordenen Ausgrenzung der „Corona-Maßnahme-Gegner“ opportun erscheint, sind derartig apodiktische Formulierungen nicht vor geschichtlicher Kurzatmigkeit gefeit. Kann es nicht sein, dass der im Dritten Reich zur Stigmatisierung der Juden eingeführte „Judenstern“, verbunden mit der auf den Demos verwendeten Inschrift „ungeimpft“ nicht aus gezielt antisemitischen Beweggründen getragen wird, sondern sich als aufmerksamkeitsstarkes Symbol für Ausgrenzung einfach besser eignet, als es z.B. der ebenfalls in der Zeit des NS-Regimes verordnete, aber weit weniger bekannte „rote Keil“ für „politische“ könnte?  

(Die im Anschluss an die Stigmatisierung erfolgte Ermordung von bis zu 6,3 Millionen europäischer Juden soll hier nicht verharmlost, jedoch im Zusammenhang mit dem Judenstern nicht als  Zwangsläufigkeit mitgedacht werden. Stichwörter dazu: Weigerung des Westens, jüdische Emigranten aufzunehmen, die Rolle von Breckinridge LONG, Staatssekretär für Immigration im US-Außenministerium unter Präsident Roosevelt, die Irrfahrt des deutschen Transatlantikpassagierschiffs St. Louis vor Florida, Zwangsumsiedlung oder Madagaskarplan)

Doch nichts entbindet uns davon in Deutschland, einem Land, das „im internationalen Vergleich … in Sachen Vergangenheitsaufarbeitung eine Meisterleistung vollbracht[e].“ (Die amerikanische Philosophin Susan Neiman) weiter daran zu arbeiten, dass den nachwachsenden -oder auch den zu uns einwandernden- Generationen unermüdlich die Lehren aus der jüngeren deutschen Geschichte nahegebracht werden. (Wobei ich mir dafür einen zusätzlichen, dem „Antisemitismus“ Beauftragten vergleichbaren „Antikriegs“ Beauftragten wünschen würde)

Um nun das Thema Antisemitismus etwas entspannter zu Ende zu bringen, möchte ich am Ende ein Bonmot des russisch-britischen Philosophen Isaiah Berlin zitieren. “Ein Antisemit ist jemand, der die Juden noch mehr hasst, als es unbedingt notwendig ist“.

Also unterlassen wir es doch, das „nicht unbedingt notwendige“.

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Was ich noch sagen wollte ……

Antisemitismus oder ganz allgemein Rassismus ist zwar nicht strafbar, bleibt aber IMMER inakzeptabel. (Auch ohne begleitende Straftat) Gleichgültig wie sich andere Nationen im 20. Jahrhundert verhielten oder im 21 Jahrhundert verhalten, unsere jüngere Geschichte sollte uns unentwegt lehren, wie viel menschenverachtender Zerstörungswille durch Hass, Großmannssucht oder Hegemoniestreben ausgelöst werden kann. (Eine Lehre, die wir aus unserer Geschichte speziell nicht nur gegenüber den Juden, sondern z. B. auch gegenüber Russen und den Völker der ehemaligen Sowjetunion ziehen sollten) Zu widerwärtig und monströs waren die Nazigräuel um sie dem Vergessen zu übereignen. Was ich jedoch weder unterstütze noch toleriere, sind übersteigerte „Prinzessin auf der Erbse“ Wahrnehmungen zum Thema, wenn eigenes Empfinden zum Maß für Alle gemacht werden soll, faktenfreie Medienberichte, unwissenschaftliche Aussagen in Studien zu „latent Vorhandenem“ oder Sprachakrobatiken mit willkürlich gesetzten Chiffren, die uns -womöglich absichtsvoll- die Lernfähigkeit und das erfolgreiche Zurückdrängen antijüdischer Ressentiments in Deutschland absprechen möchten.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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