Bürgerbeteiligung – Ein Gewinn für Alle

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Die Menschen fühlen sich zunehmend entfremdet von den Verantwortungsträgern des Gemeinwesens. Der sich daraus entwickelnde politische Aktionismus der Bürger verlange ein Umsteuern bei Wirtschaft und Politik. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Energiekonzerns RWE, in der die kritische Haltung der Deutschen zu Großprojekten hinterfragt wurde.

Den Menschen in Deutschland sei „das Vertrauen abhandengekommen – sowohl in die Politik als auch in große Unternehmen„. Es bewegt sich auf einen „dramatischen Tiefpunkt“ zu.
Die Bürger sind heute eher bereit als früher, „Vorhaben zu hinterfragen und ihre Bedenken öffentlich zu artikulieren“.

Ging es dem Energiekonzern RWE vorrangig darum zu ergründen, warum Bürger bei der zwangsläufigen Flut von Großprojekten (Stichwort Energiewende) überhaupt protestieren, obwohl sie sich für eine Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen begeistern, offenbarte die Studie ein grundsätzlich erstarktes Selbstbewusstsein der Zivilgesellschaft und offensichtlich auch grundlegende ungelöste Konflikte unserer Gesellschaft. Dazu gehört wissenschaftlichen Erhebungen zufolge insbesondere das Gefühl der Bürger, dass Politiker über ihre Köpfe hinwegregieren.

Beispiel Umgehungsstraße Geisenfeld – Gestriger geht’s nicht!

21 Figuren sitzen als Bürgervertreter im Rathaus und beschließen eine Umgehungsstraße. „Weil wir die schon immer wollten„, so die damalige Begründung eines Stadtrats. Selbst als feststand, nur mit einer zuvor zu bauenden anderen Umgehungsstraße würde man die propagierte Verkehrsentlastung für den Geisenfelder Innenstadtbereich erzielen können, hielt man an der „minderentlastenden“ Umgehungsstraße fest. Rechnete sich obendrein die Kosten schön und versuchte unumkehrbare Fakten zu schaffen, indem man ungeeignete Grundstücke neben der Straßentrasse kaufte.

Selbst als zunehmendes Bürgermurren die verbalen Kapriolen des Bürgermeisters zu übertönen drohten und die ersten Stadträte keinen Sinn mehr im Umgehungsstraßenvorhaben sahen, blieb die Mehrheit im Rathaus dabei: Obwohl sich da etwas abzeichnete, verzichtete man auf eine offene und ehrliche Debatte mit den Bürgern. Eventuell wären dabei einige der städtischen Argumente öffentlich als reines Beharrungsvermögen unflexibler Wichtigtuer entlarvt worden. Wenn Bürgerbeteiligung, dann nur bei profanen Dingen wie der Namensfindung für eine Turnhalle (selbst diese Beteiligung wurde schnell abgebrochen).

Bürgermeister oder Stadtrat – Hauptsache wichtig

Latente Zweifel daran, dass die Arbeit im Stadtrat mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und dem Bemühen das Gemeinwohlinteresse zumindest ansatzweise sachgerecht erledigt werden, sind auch in Geisenfeld erlaubt. Selbst einfachste Kommunalpolitik ist nicht selten persönlicher Befindlichkeit unterworfen und offenbart nur allzu oft das Selbstbild der für 6 Jahre erlangten Wichtigkeit.

Man wurde gewählt, also weiß man automatisch wie im Sinne des Bürgers mehrheitlich zu entscheiden sei. Die Einsicht, dass die eigene Sichtweise nicht mit dem Problembewusstsein der Bürger übereinstimmen muss, wird weitgehend vom eigenen Horizont bestimmt und schlimmstenfalls als vernachlässigbar angesehen. Die von Kommunalpolitikern im Übermaß betonte Bürgernähe erstreckt sich nicht selten auf Gespräche mit Gleichgesinnten. Besonders gut zu beobachten bei öffentlichen Veranstaltungen. Politiker sitzen nicht einzeln mitten unter den Bürgern. Sie sitzen mit ihresgleichen zusammen. Aber auch hier nicht mit jedem.

Sieht man nun im Stadtrat von den, wegen mangelnder Vorbildung offen zu Tage tretenden fachlichen Defiziten in kommunalen Belangen ab -nicht zuletzt verursacht durch eine fehlende „Eignungsprüfung“ vor der Wahl und der Weigerung, nach der Wahl die vom Landratsamt angebotenen „Nachschulungen“ zu besuchen- „menschelt“ es zusätzlich noch unangebracht.

Gebietet zum Beispiel ein Vorgang im Bauausschuss eine strickt sachliche Bewertung, „vermenschelt“ man die Beurteilung, beschließt nach unsachlichen Kriterien und fängt sich -vollkommen absehbar- von der Aufsichtsbehörde im Landratsamt eine peinliche Watschen wegen Rechtsverstoßes ein.(Pension Königer) Auf die Nachfrage, warum man im Ausschuss nicht gleich rechtskonform abstimmte, war aus Stadtratskreisen zu hören:

„Recht ist das eine, das andere ist Politik“.

Diese Aussage macht deutlich, wie zweifelhaft und moralisch verkommen Entscheidungen in politischen Gremien sein können. Das Recht und Politik zwei Seiten ein und derselben Medaille sein müssen, nur im Doppelpack das Zusammenleben von Menschen allgemein verbindlich geregelt werden kann, diese Schlüsselerkenntnis wird besonders auf kommunaler Ebene dem persönlichen Eigensinn geopfert. Erst die Unzulänglichkeit manch schwachen Charakters bringt der undurchdachtesten Beschlussvorlage die Mehrheitsfähigkeit. (Bei diesem Personenkreis wäre ein Verweis auf Immanuel Kants kategorischen Imperativ und seine Ausführungen zu Pflicht und Moral ein sinnloses Unterfangen)

Erosion des Vertrauens in die Politik ….

ist ein Kapitel der RWE-Studie überschrieben. „Der Verdruss der Bürger beziehe sich dabei weniger auf die allgemeine Politik„, zitiert die Studie den Wissenschaftler Ulrich von Alemann . „Stärker als die allgemeine Politikverdrossenheit ist die Parteienverdrossenheit oder die Politikerverdrossenheit“, (Nach Erhebungen der Europäischen Kommission/TNS Infratest 2011 vertrauen 78 Prozent der Deutschen den politischen Parteien „eher nicht“ )

Zusätzlich spiegle „eine Vielzahl von Studien den Eindruck wider, dass Bürger sich von politischen Prozessen häufig ausgeschlossen fühlen. So verneint mit 79 Prozent eine überdeutliche Mehrheit der Bundesbürger die Frage, ob das Volk in Deutschland wirklich etwas zu sagen habe“ (Stern/forsa 2010).

Dieses „Nicht-gehört werden“ bei gleichzeitig stark zunehmendem „Beteiligungsbedürfnis der Bevölkerung“, das durch ein höheres Bildungsniveau, rationalere Orientierung im Berufsleben sowie eine ansteigende Informationsdichte durch Massenmedien befördert werde, begünstige „zivilen Ungehorsam“.

Die Schlussfolgerung der RWE-Studie, konstruktiver Diskurs sei bei Großprojekten -hier im Zuge der Energiewende- nur durch „neue Partizipations- und Dialogkultur“ mit den Bürgern zielführend, sollte bis zu den kommunalen Vorhabenträgern in den Rathäusern durchdringen.

Bürgerbeteiligung ist zweifeldfrei ein Gewinn für Deutschland. Somit auch für jede Kommune. Partizipationsmaßnahmen dürfen Heute keine PR-Posten sondern müssen Pflichtübung jeder Vorhabenplanung sein.

Andernfalls war der eine oder andere nur noch gestern im Stadtrat!

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Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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