Deutschlands Kritik an Russland ist unangemessen

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Einen anderen Grund für die Popularität Putins haben wir vielleicht vergessen, weil er mit uns nichts zu tun hat: das Chaos nach der Implosion des Kommunismus, als unter Jelzin die Mafia im Eintreiben von Schutzgeld erfolgreicher war als der Staat beim Einzug von Steuern. Russland war, als die harte Klammer der kommunistischen Diktatur plötzlich weg war, ein zerfallender Staat. Deshalb sind Millionen Russen jenem Wladimir Putin dankbar, der mit der Zeit die „Diktatur des Gesetzes“ durchsetzte. Dass er dies nicht mit jenen Rechtsstaatsprinzipien tat, die die Alliierten den Deutschen nach 1945 beibrachten, ist für die meisten zweitrangig.

Viele von uns hatten gehofft, der neue Putin der zweiten Präsidentschafts-Phase werde nicht ganz der alte sein – sondern etwas großzügiger, toleranter, nachsichtiger, souveräner. Auch wir Deutschen dürfen dies hoffen. Die Frage ist nur, was wir dazu beitragen können.

Putin darf und muss, wie andere Politiker auch, kritisiert werden. Jedoch könnte uns Deutschen da eine gewisse Bescheidenheit nicht schaden. Könnte es nicht sein, dass er auf ein elementares Bedürfnis der Menschen im Land nach geordneter Sicherheit eingeht, das auch mit der deutsch-russischen Geschichte zu tun hat? Zumindest sollten wir uns um Fairness bemühen.

Stand eher die orthodoxe Kirche hinter den harten Strafen für Pussy Riot?

Könnte es nicht sein, dass nicht so sehr Putin, sondern die orthodoxen Bischöfe harte Strafen für die drei etwas überdrehten Mädchen von Pussy Riot verlangten, die nach ihrer Überzeugung eine Kirche geschändet hatten? War es fair, jedesmal, wenn ein kritischer Journalist oder eine Journalistin umgebracht worden war, anzudeuten, der Anstifter sitze im Kreml?

Könnte dies nicht auch Spätfolge jenes Gewaltchaos gewesen sein, das Putin fast überwunden hat? Und wenn es nach der neuen Gesetzeslage die deutschen politischen Stiftungen in Russland schwerer haben, könnte dies nicht eine Reaktion sein auf manches Überhebliche, das aus Deutschland zu hören ist?

Die Regierungen der Weimarer Republik haben mit der jungen, alles andere als demokratischen Sowjetunion sogar militärisch zusammengearbeitet. Außenpolitik, so meinten Politiker wie Gustav Stresemann, habe ihre eigenen Gesetze. Daran ist nicht alles falsch. Europa braucht ein gedeihliches Verhältnis zu einem Russland, das es sich nicht malen kann, und dafür trägt Deutschland die Hauptverantwortung. Ein Russland, das sich Asien, vor allem China zuwendet, würde Europa zeigen, wie klein und schwach es ist.

Seite 3 –Die Belehrung des nicht so Guten durch den ach so Guten sollten wir uns abgewöhnen.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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