Dieser Beitrag wurde bisher 218 x aufgerufen.
Der Leiter der Kommunalaufsicht wurde deutlich: Bei „nichtöffentlichen Gemeinderatssitzungen“ hielten sich einige Gemeinderatsmitglieder „nicht an die Spielregeln“ und würden deren Inhalte „unzulässigerweise nach außen“ tragen. „Dies führe in Einzelfällen sogar dazu, dass Gemeinderatsmitglieder wegen ihrer Beratungsbeiträge und ihres Abstimmungsverhaltens massiv von Außenstehenden am Tag nach der Sitzung verbal angegriffen wurden und auch Passagen aus nichtöffentlichen Sitzungsprotokollen in Klageschriften gegen die Gemeinde auftauchten“, stellte der zuständige Oberamtsrat Wilhelm Weich, Kommunalaufsicht Pfaffenhofen, die Pflichtverletzung „einiger weniger“ fest.
Er tat dies in einem 3-seitigen Schreiben, das „der sehr geehrte Herr Bürgermeister …. allen Gemeinderatsmitgliedern in geeigneter Form zukommen“ lassen sollte.
Bürgermeister Staudter verlas diesen Brief im „nicht öffentlichen Teil“ der letzten Stadtratssitzung vom 29. Juli 2010.
Aufmerksame Beobachter der Kommunalpolitik, wie Dr. Josef Ziegler, Vorstand der Bayerischen Verwaltungsschule, München, verzeichnen indes Geheimniskrämerei, also Geheimhaltung, wo sie nicht vorgeschrieben ist. Das schafft Misstrauen, lässt Gerüchte wabern und bringt den Amtsträger unvermeidlich in eine Abwehr- und Rechtfertigungsposition.
Nach wie vor besteht in Rathäusern eine vielfach zu beobachtende Neigung, allein mit dem Hinweis auf eine ungestörte Beratung oder aus Scheu vor einer kritischen Öffentlichkeit hinter verschlossenen Türen zu beraten und zu entscheiden. (siehe „Geisenfelder Blumentrog-Affäre„) Bei „Scheu vor einer kritischen Öffentlichkeit“ ließe sich jetzt natürlich fragen: Welche Memmen haben wir da in die Rathäuser gewählt?
Ist nun „ein Ratsmitglied der Meinung, eine Angelegenheit sei zu Unrecht in nichtöffentlicher Sitzung behandelt worden, steht im jederzeit frei, deswegen die Rechtsaufsichtsbehörde einzuschalten“ stellt Oberamtsrat Weich von der Pfaffenhofener Kommunalaufsicht in seinem Schreiben dazu fest.
Eine eigenmächtige „Flucht in die Öffentlichkeit“ sei kein „Kavaliersdelikt“ und könne „unter Umständen auch straf- und haftungsrechtliche Folgen haben„. Folgen für Bürgermeister, „normale Gemeinderäte“ und für Mitarbeiter der Verwaltung.
Besonders wenn „Passagen aus nichtöffentlichen Sitzungsprotokollen in Klageschriften“ auftauchen, könnten i.d.R. „normale Gemeinderäte“, in Ermangelung der Niederschriften, als „Informanten“ ausgeschlossen werden. Denn Niederschrift über nichtöffentliche Sitzungen können -in der Regel- von Gemeinderatsmitgliedern nur eingesehen werden. Der Weitergabe dieser Niederschriften an Gemeinderatsmitglieder steht, auch wenn diese zur Geheimhaltung verpflichtet sind, in vielen Fällen der Datenschutz entgegen, wenn personenbezogene Daten oder Hinweise enthalten sind.
Ist man sich der politischen Dimension eines offenen Umgangs mit Informationen im Geisenfelder Rathaus überhaupt bewusst?
Bereits 2004 beschäftigte sich Dr. Ziegler bei einem Vortrage auf der Veranstaltung des „Kommunalwissenschaftlichen Forschungszentrum“, Würzburg, mit der Fragestellung „Information und Geheimhaltung“.
Was darf oder was muss man öffentlich machen, um den berechtigten Erwartungen oder auch rechtlich garantierten Ansprüchen einzelner Bürger, der Öffentlichkeit insgesamt zu genügen?
Was darf oder muss ich umgekehrt geheim halten, um einen ordnungsgemäßen Geschäftsgang in der Verwaltung und den Schutz der persönlichen Sphäre Einzelner zu gewährleisten?
Die Rechtslage -hergeleitet aus dem Demokratieprinzip- ist eindeutig:
Der Regelfall ist die öffentliche Sitzung.
Die Behandlung in nicht öffentlicher Sitzung ist die Ausnahme und bedarf damit der gesonderten Begründung und nicht umgekehrt. Die typischen Fälle, bei denen diese Begründung ohne weiteres gegeben ist, sind bekannt: Grundstücksgeschäfte, Personalangelegenheiten, Abgabenvorgänge (Widerspruch, Stundung, Erlass).
Wie oben bereits festgestellt, ist das vielerorts nicht die Regel und die Verschleierung von Gemeinderatsbeschlüssen unter dem Mäntelchen der nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung ist gängige Praxis.
Trotzdem kein Grund, so Oberamtsrat Weich in seinem Schreiben vom 21. Juli 2010, als Mitglied des Gemeinderats seinen „Obliegenheiten nicht mit der notwendigen Objektivität“ nachzukommen und seine Pflichten zu verletzen.
Warum aber ermahnte die Kommunalaufsicht nur die Mitglieder des Geisenfelder Stadtparlaments, fragten sich nicht wenige der Geisenfelder Stadträte? Sind denn die Zustände in Geisenfeld besonders schlimm?
„Bürgersicht“ kann hier Entwarnung geben! Das Schreiben der Kommunalaufsicht Pfaffenhofen war gerichtet an alle Gemeinderäte der 19 „Gemeinden des Landkreises Pfaffenhofen a.d. Ilm, z. Hd. der Ersten Bürgermeister“.
Das Schreiben für „Bürgersicht“-Leser zum Download
Da uns unsere Freunde vom voralpenländischen „Bayerischen Verfassungs-Dienst“ dieses 3-seitige Schreiben zuspielten, können wir es auch den Lesern von „Bürgersicht“ zum Download zur Verfügung stellen. Einfach nur downloaden wäre aber zu einfach. Aus Gründen der „kommunalen Staatsbürgerkunde“ haben wir jede Seite mit einem Passwort versehen.
Das heißt, man kann zwar jede Seite runterladen, aber öffnen und lesen kann man sie nur nach Eingabe des jeweiligen Passwortes! Die Passwörter sind die Antwort zur Frage für die jeweilige Seite.
…………………………………………………………………………………………………………………….
Passwort ohne Leerzeichen eingeben. Syntax: Art.??Abs.?
(statt „?“ die jeweilige Nummer einsetzen)
…………………………………………………………………………………………………………………….
Seite 1: (Download hier)
Unter welchem Artikel /Absatz findet sich in der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 folgender Eintrag :
„Die in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschlüsse sind der Öffentlichkeit bekanntzugeben, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind.“ (Antwort = Passwort für Seite 1)
Seite 2: (Download hier) Unter welchem Artikel /Absatz findet sich in der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 folgender Eintrag :
„Die Einsicht in die Niederschriften über öffentliche Sitzungen steht allen Gemeindebürgern frei;“ (Antwort = Passwort für Seite 2)
Seite 3: (Download hier) Unter welchem Artikel /Absatz findet sich in der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 folgender Eintrag:
„Der Gemeinderat überwacht die gesamte Gemeindeverwaltung, insbesondere auch die Ausführung seiner Beschlüsse“. (Antwort = Passwort für Seite 3)
………………………………………………………………………
Wem das jetzt „zu blöd“ vorkommt, dem sei ein „Spiegel-Gespräch“ mit einem der bedeutendsten Sozialwissenschaftler Deutschlands ans Herz gelegt. Professor Oskar Negt äußert sich in der aktuellen Spiegel Ausgabe (Nr. 32 / 9.8.2010 ) unter Anderem über die Notwendigkeit politischer Bildung. Auszug:
„Die subjektiven Orientierungen des Menschen und das öffentliche System der staatlichen Institutionen driften auseinander……Es mag ein bisschen verstaubt und anachronistisch klingen, aber ich sehe nur eine Möglichkeit: politische Bildung. Seit Jahrzehnten gehe ich der Frage nach, wie politisches Urteilsvermögen entsteht. Es gilt, das Besondere der je eigenen Lebenswelt mit dem Allgemeinwohl der Gesellschaft dialektisch in Zusammenhang zu bringen. Deshalb vertrete ich die These:Demokratie muss gelernt werden – immer wieder, tagtäglich, ein Leben lang. Die Menschen werden nicht als politische Wesen geboren. Der Mensch als Zoon politikon, als politisches Lebewesen im Sinne von Aristoteles, ist das Ergebnis eines ständigen Erziehungs- und Lernprozesses, nicht eine anthropologische Konstante“.
In diesem Sinne, viel Spaß beim lernen!