Scheinheiligkeit beim Beschäftigtendatenschutz

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Gesetztentwurf ein „Anschlag auf Arbeitnehmerrechte“

Wie definiert man Scheinheiligkeit? Der Duden sieht sie gleichbedeutend mit „heuchlerisch„, „unaufrichtig„, “ unehrlich„. Ein moralisch negativ besetztes Verhalten, durch das ein unrealistisches Bild vorgetäuscht werden soll.

Eine verdeckte Bespitzelung von Beschäftigten darf es in diesem Land nicht mehr geben.“, warf sich der für das neue „Arbeitnehmerdatenschutz-Gesetz“ in der Union zuständige CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Frieser, in die Brust. Diese nach Stärkung von Arbeitnehmerrechten klingende Aussage hatte nur einen Haken. Die verdeckte Bespitzelung ist bereits verboten. Zumindest weitgehend *.

Wozu dann das neue Gesetz?

In Wirklichkeit wird durch das neue Gesetz der Datenschutz für die Arbeitnehmer nicht ausgeweitet, sondern durch die Hintertür beschnitten„, so der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann. „Die Änderungen zum ursprünglich vorgelegten Entwurf täuschen darüber hinweg, dass die Arbeitgeberinteressen hier weiter eindeutig den Ton angeben„.

Der vorliegende Gesetzentwurf ermögliche heimliche Videoüberwachung durch totale Überwachung zu ersetzen. „Das geht gar nicht„, meint dazu das Ausschuss-Mitglied der Grünen, Konstantin von Notz.
Diese und andere Verschlechterungen seien nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) „nicht hinnehmbar“. Die Gewerkschaft Ver.di sprach von einem

„Arbeitnehmer-Ausforschungsgesetz“.

So stellt der Gesetzentwurf durch unklare Rechtsbegriffe weitgehend ins Ermessen von Unternehmen, welche persönlichen Daten sie von Bewerbern und Beschäftigten verlangen oder sich anderweitig – zum Beispiel aus dem Internet (Facebook) – verschaffen. Auch die Erhebung von Daten über sexuelle Identität, Vermögensverhältnisse, Vorstrafen, laufende Ermittlungsverfahren sollen zulässig sein – wenn sie „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen oder Hindernisse darstellen„.

Der vorliegende Entwurf sei so „verschachtelt konstruiert und kompliziert bis zur Unverständlichkeit“ schreibt die ehemalige Bundesjustizministerin,Herta Däubler-Gmelin in der „Süddeutschen“, das sich keiner die Mühe machen möchte „ihn durchzuackern“. Mache man sich aber die Mühe, erkenne man: Der Entwurf „trägt Verachtung für die Grundrechte von Arbeitnehmern geradezu auf der Stirn“.

Beratung vorerst abgeblasen

So plötzlich wie das Thema auf der Tagesordnung (Mittwoch, 16. Januar) des Innenausschusses auftauchte – nach Meldungen vom Wochenende hatten sich die Koalitionäre überraschend auf eine gesetzliche Regelung verständigt- so plötzlich war es wieder verschwunden. Wollte ein „Schnellmerker“ eine Durchpeitsch-Schlappe wie bei der Behandlung des umstrittenen Meldegesetzes (fünf Minuten nach Anpfiff des EM-Halbfinalspiel Deutschland gegen Italien) vermeiden?

Doch die negativen Schlagzeilen bleiben. Das umstrittene Arbeitnehmerdatenschutz-Gesetz könnte der CDU/FDP- Koalition die Niedersachsen-Wahl vollends verhageln.
Es wurde einfach schon zu viel berichtet über den „ Freibrief für Arbeitgeber zur Nutzung der Arbeitnehmerdaten“ womit sie ein Instrumentarium an die Hand bekommen, „mit dem sie Bespitzelung und Überwachung rechtfertigen können.“ (Verdi)

Die Bedeutung der Politik als herausragende Regelungsinstanz hat mit der scheinheiligen Vorgehensweise, aufregungstaugliches hinter mehrheitlich gewünschtem zu verstecken, erneut abgenommen!

Beschäftigtendatenschutz soll nicht in erster Linie Daten schützen, sondern die Rechte der Beschäftigten.

Sie wollen sich in den vorliegenden Entwurf einlesen? Hier bitte (pdf)

* Das Bundesarbeitsgericht lässt die verdeckte Videoüberwachung nur in absolut engen Ausnahmefällen zu:….Danach ist die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind, die verdeckte Video-Überwachung praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist….

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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