Transparenz: Für rückwärtsgewandte Politik das vergessene Unwort des Jahres, die Bezeichnung für den Vorhof zur Hölle oder der Beginn der „Tyrannei der Massen“. Derart rhetorische Stilmittel sind den Geisenfelder Stadträten zwar fremd, doch auch gängigere Bezeichnungen wie Durchsichtigkeit oder Nachvollziehbarkeit scheinen bei ihrer Tätigkeit die Charaktereigenschaft eines Fremdwortes zu besitzen.
Harmonischer konnte diese Stadtratssitzung vom 22. März nicht sein. Unter den Beschlüssen, die zu einigen der 17 zu behandelnden Tagesordnungspunkte zu fassen waren, fand sich kein einziger, der nicht einstimmig getroffen wurde.
Von der Zustimmung zum gemeinsamen, landkreisweiten Vorgehen in Sachen Windenergie, über die Satzungsänderung des Jugendparlamentes, Stundenverdoppelung der Sozialpädagogin, diverse Satzungs- und Aufhebungsbeschlüsse bei Bebauungsplänen bis zur Absetzung zweier Tagesordnungspunkte.
Die Harmonie und der ungewohnte Gleichklang von Gehirnwellen im Stadtrat waren bemerkenswert.
Lag es am Einfluss der Fraktionssprecher, die üblicherweise am Montag vor der Stadtratssitzung untereinander die Marschrichtung eruieren, um tags drauf ihren eigenen Fraktionskollegen den Weg zum richtigen Abstimmungsverhalten nahezubringen?
Lag es am Fehlen von Störwellen in Person der Stadträte Alter, Hetzenecker, Königer, Rockermeier und Weber? (Sie fehlten auf dieser Sitzung. Entschuldigt)
Oder lag die interfraktionelle Harmonie schlichtweg daran, dass die Tagesordnungspunkte keine kontrovers zu debattieren Sachverhalte aufwiesen?
FALSCH.
Besonders ein Tagesordnungspunkt stand der dargebotenen Harmonie im Stadtrat entgegen. Und so wurde er prompt per einstimmigen Beschluss in die „nicht öffentliche Sitzung“ verschoben.
Um ihn geräuschloser und sprachlich ungehemmter behandeln, aber vor allem vor den Ohren der Öffentlichkeit verbergen zu können.
(Hierbei beziehe ich die beiden, auf dieser Sitzung anwesenden „Pressevertreter“ als Vertreter der „Öffentlichkeit“ mit ein. „Bürgersicht“ ist ja nicht Presse, sondern nur „Öffentlichkeit“)
Die Peinlichkeiten um die Namensgebung der 3-Fach-Sporthalle
Hatte man doch im Vorfeld dieses Tagesordnungspunktes, „Namensgebung der neuen Dreifachsporthalle„, die Bürger und Bürgerinnen der Stadt Geisenfeld ausdrücklich dazu aufgefordert, sich an der Namensfindung zu beteiligen. Geisenfeld habe das „Privileg“, der Halle den Namen geben zu dürfen.
„Die Stadtverwaltung ruft alle Geisenfelder auf, eigene Namensvorschläge einzusenden. Die eingereichten Vorschläge werden dem Stadtrat zur Abstimmung gestellt“. (Dieser Aufruf auf der städtischen Homepage wurde zwischenzeitlich entfernt)
Nicht die zugegeben spärliche Beteiligung der Geisenfelder an dieser Abstimmung, nicht die zum Teil hanebüchenen Namensvorschläge (z.B. Arena, Sporthalle Bürgertreff, Sportpalast, Hopfenkulturhalle) gaben den Ausschlag für die Diskussion hinter verschlossenen Stadtratstüren.
Es war die Haltung des Landratsamtes und eine vorweg, zum Teil ins missgünstige gehende Haltung von Stadträten aus einer an Mitgliedern überschaubaren Fraktion.
Aus dem Landratsamt wurde signalisiert (aber von den Stadträten nicht ernst genommen) man möge doch bitte bei der Namensgebung der Geisenfelder Mehrzweckhalle keine Personennamen verwenden, und seien diese Personen örtlich auch noch so angesehen oder verdienstvoll.
Diese Praxis hätte die Geisenfelder Verwaltung im Vorfeld der allgemeinen Namensfindung leicht selber „erspüren“ können. Besonders wenn man sich die Bezeichnungen der umliegenden Mehrzweckhallen angesehen hätte:
Im Lindenkreuz -Manching, Paarhalle -Reichertshofen, Turmberghalle –Rohrbach, Agnes-Bernauer-Halle -Vohburg)
Und so landeten 3 Namen von prominenten, sich um Geisenfeld verdient gemacht habende Personen (neueren Datums) auf der Vorschlagsliste.
Für die Fraktionen war abzusehen: Haust du meinen, haue ich deinen.
Da man sich selber nicht zutraute, diese Diskussion gesittet, ohne verbale Ausfälle und ohne Rufschädigung der vorgeschlagenen Geisenfelder Bürger durch die öffentliche Sitzung zu bringen, war man sich schnell einig, dies hinter verschlossenen Türen, also in „nicht öffentlicher Sitzung“ zu debattieren.
Etwas weniger Eigensinn gepaart mit vorausschauender Demut hätte den Räten bei der Behandlung dieses Punktes vieles erspart. Ganz abgesehen von der eigenwilligen Auslegung der Bayerischen Gemeindeordnung.
Dort heißt es: „Die Sitzungen sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen„. (Art. 52)
Diese, zugegeben etwas schwammige Formulierung begründet nicht, für Stadträte Unliebsames vor den Ohren der Öffentlichkeit zu verbergen. Ansprüche hatten hier weder die als Namensvorschläge gehandelten Personen, und erst recht nicht die der Öffentlichkeit verpflichteten Stadträte.
Die typischen Fälle, bei denen diese Begründung gegeben ist, sind bekannt: Grundstücksgeschäfte, Personalangelegenheiten, Abgabenvorgänge (Widerspruch, Stundung, Erlass).
Obwohl das Interesse der Geisenfelder Bürger an Kommunalpolitik überschaubar ist (solange die Ergebnisse keine individuellen Auswirkungen befürchten lassen) sollten sich die Verantwortlichen im Rathaus darüber im Klaren sein:
Der fortschreitenden Destabilisierung einer aktiven Bürgergesellschaft wirkt man nicht mit Sonntagsreden entgegen sondern durch verantwortliches Handeln.
In einer Verordnung der Europäischen Union zum Informationsrecht der EU-Bürger vom Mai 2001 (VO Nr. 1049, Amtsblatt der europ. Gemeinschaften vom 31.05.2001, S. 1) liest sich das so:
„Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte bei„.
Wem das „zu weit weg“ ist, dem sei die Sichtweise des ehemaligen Präsidenten des Bayerischen Landtags, Alois Glück (CSU) nahegebracht.
Im September 2007 schrieb er im Themenheft der Hanns Seidel Stiftung „Zukunftsorientierte Kommunalpolitik“ über die neu auszubalancierende Verantwortungsgemeinschaft von Bürgern und Staat.
„Unsere Kommunen stehen vor großen Veränderungen und Aufgaben. Wenn Bürger und Politik in einen konstruktiven Dialog miteinander eintreten und als Partner miteinander kooperieren, wird die wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Revitalisierung unseres Landes gelingen„.
Die Ansprüche an die Geisenfelder Kommunalpolitik sind also klar formuliert.
Es wird Zeit sie auch zu erfüllen! Sonst erfüllen sie andere.
Die Flagge der „Piraten“ weht bereits im benachbarten Ingolstadt. Eventuell entschließt sich die „Bürgerrechtspartei des 21. Jahrhunderts„, ein Beiboot auszusenden, um ihr ungebremstes Wachstum auf den Geisenfelder Raum auszuweiten und so nebenbei das Geisenfelder Rathaus zu kapern.
(Nachtrag: Welchen Namen bekommt nun die Geisenfelder 3-Fach-Halle? Die nächste Stadtratssitzung dürfte es zeigen.)