David Staudter gegen Goliath Google -Ein hilfreicher Schaufensterbeschluss?

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Wir beschließen mal schnell etwas, das wir gar nicht beschließen dürfen.

Seit einigen Monaten fragt man sich im Stadtrat: Wer ist der Kerl, der da hinten rumsitzt und in der Stadtratssitzung alles mitschreibt?

Mit dem „Kerl“ meinen sie nicht den Pressevertreter aus der örtlichen Redaktion der sogenannten Heimatzeitung. Der ist bekannt. Entweder sitzt der am zugewiesenen Pressetisch oder, und das ist sehr bemerkenswert, mitten unter den Stadträten am Tischkarree.

Der „Kerl“ schreibt deshalb mit, weil er zum Beispiel seine Aufzeichnungen mit den, Wochen später veröffentlichten Niederschriften der öffentlichen Stadtratssitzungen vergleichen möchte. Und was er da so abgleicht, versetzt ihn hin und wieder in Erstaunen. (Sie haben richtig vermutet, der „Kerl“ ist der hier schreibende Autor)

In Erstaunen versetzte mich zum Beispiel der „Google Beschluss“.

Sitzung vom 12. November 2009 , Tagesordnungspunkt 5. „ Mögliche Maßnahmen gegen das Abfotografieren unserer Straßen durch Google Street View“

(Anmerkung des Autors: Der Bürgermeister oder eine von ihm mit der Berichterstattung beauftragte Person trägt am Anfang der Beratung den Sachverhalt des einzelnen Tagesordnungspunktes vor und erläutert ihn)

 

Zuerst die Version der vom Bürgermeister unterzeichneten Niederschrift:

 

Bgm. Staudter:

Ich sehe in dem Fotografieren der Straßen keinen Sinn und eine Verletzung des Datenschutzes sowie einen Eingriff in die Privatsphäre. Wir sollten untersuchen lassen, wie wir das Abfotografieren verhindern können. (Ende der Erläuterung zum Sachverhalt)

Hier die Version meiner eigenen Aufzeichnung:

Bgm. Staudter:

„Vor dem Zeitungsartikel im Donaukurier (Anmerkung des Autors: 31.Okt. 09) war mir die Problematik nicht bewusst. Was ich aber hier auf dieser Seite (Beim „Donaukurier) gesehen habe, gefällt mir gar nicht. Hier werden Leute zur Schau gestellt“. Es folgen noch einige Wörter über Belustigungsobjekte und Voyeurismus. (Ende der Erläuterung zum Sachverhalt)

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Der Fairness halber muss angemerkt werden, das vorgenannter Pressevertreter in seinem Artikel die offizielle städtische Version -aus weiter unten noch beschriebenen Gründen- auch nicht benutzt. (Es geht um die Passage „dem Bürgermeister sei die Problematik nicht bewusst gewesen“)

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Und nun folgte die einzige Wortmeldung. Der „studierte Jurist“ Jürgen Staudt von der CSU ergriff das Wort. („studierter Jurist“ stand wirklich so im Artikel der online-Ausgabe des DONAUKURIERS. Selfmad Juristen finden sie ja an jeder Ecke ) Hier können sie es nachlesen

In juristischen Belangen dürfte Stadtrat Staudt im Gremium als Fachmann durchgehen, da er im richtigen Leben seine Brötchen als Richter am Landgericht München verdient. Zusätzlich betreut er die Homepage des Bayerischen Richtervereins.(falls die Angaben auf deren Homepages noch relevant sind)

Stadtrat Staudt informierte das Stadtparlament in seinem Redebeitrag über die seiner Meinung nach in Rede stehende Rechtsprechung, die dazugehörige Meinungsvielfalt und die zuweilen umstrittene juristische Auslegung. „Der öffentliche Pranger“ bei Google Street View sei dabei „das Schlimme“.

Gegen das Abfotografieren durch Street View könne man sich nicht wehren. Wohl aber gegen die Veröffentlichung im Internet. Dazu solle die Stadt auf ihrer Homepage und im Bürgerbüro ein Widerspruchsformular und ein Hinweisschild bereitstellen. Beides sei im Internet bereits downloadbar.

Bis hierher konnte ich den juristischen Einschätzungen des „studierten Juristen“ zustimmen. Was er aber anschließend als Handlungsanweisung für die Stadt vorgab war total neben der gängigen Rechtsprechung. Die Stadt solle doch, so der Vorschlag Staudts, im Namen aller Geisenfelder Bürger bei Google Widerspruch einlegen. (Das die Stadt gar kein juristisches Mandat für ihre Bürger hat und hoffentlich auch in Zukunft nie eines haben wird- hätte ein Jurist eigentlich wissen können)

Der Bürgermeister fasste folgendermaßen vor der Abstimmung zusammen (sinngemäß): Er könne dem ausführlichen „Fachvortrag“ weder etwas hinzufügen noch vor der Abstimmung zusammenfassen. Es erging folgende Beschlussaufforderung: Abstimmung über den Beschluss wie vorgetragen.

Und im Vertrauen auf Staudts juristische Expertise stimmte der Stadtrat einstimmig auch der Handlungsanweisung im Beschluss zu, als Stadt im Namen aller Bürger bei Google Widerspruch einzulegen.

Und nun wird es erneut bedenklich! Im Gegensatz zu den hier geschilderten Einlassungen -auf der Grundlage meiner bei der Sitzung gemachten Notizen- und des unmittelbar nach der Sitzung verfassten Artikels auf „donaukurier.de“ vom 12.11.2009 / 20:01 Uhr (dem Redakteur blieb keine Zeit mehr den Artikel noch mit dem Bürgermeister abzugleichen Hier können sie es erneut nachlesen ) findet man in der Wochen später veröffentlichten Niederschrift der Stadtratssitzung nichts mehr davon. Bei der Suche nach brauchbaren Materialien zwecks Veröffentlichung auf der städtischen Homepage stieß man auf die Internetseite „Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein“. Hier hat sich die Stadt mit den Unterlagen versorgt

Die dort bereitgestellten, und ausdrücklich zur Weiterverbreitung bestimmten Unterlagen fanden Einzug in die Homepage der Stadt Geisenfeld.

Nur ohne Erwähnung des Urhebers.Da man auch den Text „Hinweise zum Einlegen von Widersprüchen…“ eins zu eins übernahm -nur der Urheber des Textes, die „ULD“ wurde durch „Die Stadt Geisenfeld“ ausgetauscht, dürfte man den Fehler im Beschluss bemerkt haben. (kein Mandat für ihre Bürger)

Angesprochen auf diese Vorgänge vertraute mir einer der Stadträte an, die „Google-Sache“ habe doch eh keinen Interessiert. Die Frage, warum er dann diesen Beschluss mitgetragen habe, quittierte er mit einem Achselzucken. Meines Wissens hat sich bis heute kein Stadtrat über die eigenmächtige Veränderung des Beschlusses aufgeregt, noch darüber nachgedacht was da beschlossen wurde.

Die Stadt Geisenfeld ließ sich vor den Karren einer DONAUKURIER-Kampagne spannen, sich als „Vorreiter“ und „Vorbild“ feiern. Dazu Rohrbachs Bürgermeister Dieter Huber in der Presse: „Wir kupfern natürlich von Geisenfeld ab, warum soll man das bei einem so guten Vorbild nicht tun“. Was er und andere nicht wissen: Sie kupfern bei einem Kupferer ab.

Das dieser „Google“ Punkt überhaupt auf die Tagesordnung kam dürfte einer Gefälligkeit und eventuell auch Gefallsucht geschuldet sein.

Kennen sie folgende Redensarten?

Gibst du mir, geb ich dir.

Lass mich gut aussehen und es wird dein Schaden nicht sein.

Bei einem Bürgermeisterehepaar, dessen omnipräsentes Auftreten in der Presse bei vielen Stadtratskollegen und Kolleginnen auf zunehmende Verärgerung stößt, könnte man die Kenntnis dieser Redensarten vermuten. Ob die beiden sie auch anwenden, könne man bestenfalls nur erahnen.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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