Cybergang stiehlt eine Milliarde US-Dollar von 100 Finanzinstituten weltweit

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Wie die deutsche Niederlassung für Computer-Sicherheitslösungen, die Ingolstädter Kaspersky Lab GmbH mitteilt, wurde das Geld diesmal direkt von Banken, anstatt von Heimanwendern gestohlen. Kontoinhaber schöpften keinen Verdacht, da über das Eindringen in das bankeninterne Buchhaltungssystem die Kontensaldi zuerst erhöht, und danach nur die „überschüssigen“ Geldmittel, nicht aber der Ursprungsbetrag entwendet wurden.

Wie Kaspersky Lab am Sonntag mitteilte, gelang es Kaspersky Lab zusammen mit INTERPOL, Europol und Institutionen verschiedener Länder die Geschichte eines beispiellosen Cyber-Bankraubs aufzudecken. Bei diesem Cyber-Bankraub wurde bis zu eine Milliarde US-Dollar innerhalb von zwei Jahren von Finanzinstituten weltweit gestohlen.

Die so genannte „Carbanak“-Gang, eine internationale Gang von Cyberkriminellen aus Russland, der Ukraine, Teilen Europas sowie China, nutzte für die Cyberüberfälle Techniken aus dem Arsenal zielgerichteter Attacken. Der Vorgang markiert den Beginn einer neuen Phase in der Entwicklung der Cyberkriminalität, in der Geld direkt von Banken, anstatt von Heimanwendern gestohlen wird.
Es ist davon auszugehen, dass die größten Summen durch das Hacken von Banken erbeutet wurden – bis zu zehn Millionen US-Dollar pro Überfall. Im Durchschnitt dauerte jeder Banküberfall zwischen zwei und vier Monate an, von der Infizierung des ersten Computers im Unternehmensnetzwerk der Bank bis zum eigentlichen Diebstahl.

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Die Carbanak-Gang nutzte mehrere Methoden, um die Banken auszurauben:

  1. Sobald die Betrüger aus ihren Aktivitäten Kapital schlagen wollten, nutzen sie Online-Banking-oder internationale E-Payment-Systeme, um Geld von den Konten der Bank auf die eigenen Konten zu überweisen. Zum Teil wurde das gestohlene Geld auch bei Banken in China oder Amerika hinterlegt. Die Experten schließen nicht aus, dass weitere Banken und Länder ebenfalls als Empfänger genutzt wurden.
  2. In anderen Fällen sind die Cyberkriminellen direkt in das Herz der Buchhaltungssysteme eingedrungen, um Kontensaldi zu erhöhen und im Anschluss die überschüssigen Geldmittel durch eine Überweisung zu entwenden. Ein Beispiel: Liegen auf einem Bankkonto 1.000 US-Dollar, erhöhen die Kriminellen den Saldo auf 10.000 US-Dollar und überweisen im Anschluss 9.000 US-Dollar auf eigene Konten. Der Kontoinhaber vermutet keine Probleme, weil auf seinem Konto nach wie vor 1.000 US-Dollar liegen.
  3. Darüber hinaus hatten die Cyberräuber Kontrolle über die Geldautomaten der Banken und konnten diese anweisen, Bargeld zu einer vorbestimmten Zeit auszuzahlen. Zum Zeitpunkt der Auszahlung wartete ein Handlanger der Gang am betroffenen Geldautomaten und kassierte die Auszahlung ein.

Seit dem Jahr 2013 haben die Kriminellen Angriffe auf bis zu 100 Banken, E-Payment-Systeme und andere Finanzinstitute in rund 30 Ländern gestartet. Die Attacken sind noch aktiv. Entsprechend den Informationen von Kaspersky Lab liegen die Carbanak-Ziele in Deutschland und in der Schweiz sowie in Russland, den USA, China, Ukraine, Kanada, Hong Kong, Taiwan, Rumänien, Frankreich, Spanien, Norwegen, Indien, Großbritannien, Polen, Pakistan, Nepal, Marokko, Island, Irland, Tschechien, Brasilien, Bulgarien und Australien.

Das Überraschende an diesen Banküberfällen war, dass es den Kriminellen egal war, welche Software die Bank nutzte. Daher sollten Banken sich nicht in Sicherheit wiegen, selbst wenn sie eine einzigartige Software verwenden. Die Angreifer mussten nicht einmal die Services der Bank hacken. Sobald sie ein Netzwerk geentert hatten, lernten sie, ihren gefährlichen Komplott hinter legitimen Aktionen zu verstecken. Alles in allem ein sehr geschickter und professioneller Cyberraub“, so Sergey Golovanov, Principal Security Researcher beim Global Research und Analysis Team von Kaspersky Lab.

Diese Attacken unterstreichen wieder einmal, dass Kriminelle jede Schwachstelle in jedem System ausnutzen werden. Klar wird zudem: Es gibt keine Branche, die immun gegen Attacken ist. Sicherheitsabläufe müssen ständig überprüft werden. Das Identifizieren von neuen Trends im Bereich Cyberkriminalität ist ein Schlüsselbereich, in dem INTERPOL mit Kaspersky Lab zusammenarbeitet, um sowohl den öffentlichen als auch den privaten Sektor beim Schutz vor aufkommenden Gefahren besser helfen zu können“, sagt Sanjay Virmani, Director des INTERPOL Digital Crime Centre.

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