Eddy The King- Mord und Bürgerkrieg für Schüler

Lesedauer 5 Minuten

Ein Gastbeitrag von Beate Kreis-Nücken

Jugendpolitik und Kultur, das kann sensationell einfach sein, wie das aktuelle Schultheaterfestival in Ingolstadt wieder einmal bewiesen hat. 37 Jahre gibt es schon die Schultheatertage. Die Grundidee war, sich am Ingolstädter Stadttheater ein fachkundiges und begeistertes Publikum heranzuziehen. Seit 2007 ist aus dem Ereignis ein veritables Festival geworden.

In wenigen Tagen Anfang Juli wurden 12 Produktionen gezeigt. Elf davon von umliegenden Schulen, die zwölfte von der Theatergruppe der Germanistikstudierenden an der Fakultät für Künste und Philologie in Kragujevac. (Serbien)

Da gab es Märchenstücke, Zeitgeschichte, Hermann Hesses Siddharta, ein Stück mit offenem Ende, Fantasiestücke und am Ende sogar Shakespeare.

Es ist so leicht. Man nehme einige Theaterpädagogen, erfahrene Theaterleute und eine geeignete Bühne und schon kann es losgehen. 300 mitwirkenden Jugendlichen wurde der Auftritt in einem richtigen Theater ermöglicht. Sie konnten ihre Stücke vorstellen und im Vergleich sehen. Sie konnten mit Experten darüber diskutieren. Daneben gab es Workshops zu Improvisation, Gesang, Tanz, Stimme und Sprechen.

Stellvertretend hier einige Gedanken über das letzte aufgeführte Stück, „Eddy the King“ nach William Shakespeares „Henry IV“ in der Fassung von Tom Lanoye und Luk Perceval.

Ein Königsdrama von Shakespeare- können Jugendliche das?

William Shakespeare hat neben einer Reihe von Komödien acht Königsdramen hinterlassen. Das sind sperrige Stücke, die sich mit der englischen Geschichte befassen, voller Blut, Grausamkeiten, Abartigkeiten und Schrecken. Da wird endlos gemordet, geschlachtet, gehöhnt, gedemütigt, missbraucht, verraten und massakriert.

Die Oberstufenschüler des Reuchlin-Gymnasiums haben „Henry IV“ von Shakespeare auf die Bühne gebracht. Dieses Stück ist ein Reflex auf die brutalen Rosenkriege zwischen 1455 und 1485.
Zur Zeit Shakespeares lag der schreckliche Bürgerkrieg zwischen den Häusern Lancaster und York gerade mal einhundert Jahre zurück, war also noch lebendig in der Erinnerung. Der wortgewaltige Shakespeare hat diese Erinnerung durch seine Texte konserviert und tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt.

Ein tiefschwarzes Ereignis im Stadttheater

Die Bühne ist schwarz. Darauf barfuß die Schüler in schwarzen Hosen und weißen, roten, blauen und grünen T-Shirts. Einfachste Requisiten, Holzschwerter, Kissen, Tücher.
Die Anhänger der Weißen Rose tragen weiße, die Parteigänger der Roten Rose rote Handschuhe. Am Anfang liegen die Schüler in weiße Leintücher gehüllt auf dem Boden und erheben eine vielstimmige Totenklage. Dann die grotesken Ereignisse um einen reuigen und entmachteten König, die hin und herwogenden Schlachten, das wechselnde Kriegsglück, Morde, Übergriffe, Machtmissbrauch. Am Ende wird der König auf seinem Thron vom Nachfolger ermordet.

Die Texte sind oft derb obszön , so dass es den Schülern ein Bedürfnis war, manches zu streichen.

Das Spiel ist stark abstrahierend, weitab von jedem Realismus. Etwas stören die schnellen unmotivierten Wechsel zwischen der deutschen und der englischen Sprache.

Insgesamt haben die jungen Schauspieler das schwierige Stück gut hinbekommen. Es wirkt auch heute noch so, wie es vermutlich von William Shakespeare gedacht war, als Immunisierung gegen Bürgerkrieg, Willkür und Grausamkeit.

Darf man Jugendlichen die Bewältigung eines derart heftigen Stoffs zumuten? Wäre nicht simples Bauerntheater besser?

Die Schüler des Reuchlin haben diese Frage mehr als eindeutig beantwortet.Shakespeare war für sie gerade richtig, das Bauerntheater kann man getrost genügsameren Erwachsenen überlassen.

Was kann man aus dem Schultheaterfestival lernen?

Es ist ohne Weiteres möglich, auf Bürgerfesten 20.000 Euro in Bratwurstrauch und Bierdunst verwehen zu lassen.
Bei wummernder Musik, und banalen, tausendmal gehörten Gesängen, lullt man die Leute ein. Das ist dann wie schlechtes Fernsehen mit Freiluftfaktor und damit ist schnell mal ein Großteil des Kulturetats durchgebracht.

Doch ist das Kultur oder nur abgeschmackte Volksbelustigung?

Daneben könnte man andererseits auch für einen Bruchteil der vergeudeten Summe Festivals veranstalten. Festivals, die den Namen auch verdienen. Dadurch würden zum Beispiel die beteiligten Jugendlichen aber auch die Erwachsenen in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt. Man würde so ein Publikum von Kennern heranwachsen sehen, ein Publikum, das in verschiedenen Graden selbst kulturell aktiv werden könnte: als Musiker, Sänger, Tänzer, Schauspieler, Filmemacher.

Das ursprüngliche Wort für Kultur hängt mit urbar machen, anbauen, kultivieren zusammen. Die Aufgabe der Kulturarbeit ist es, Plantagen für Geist und Kunst zu schaffen.
Eine solche Strategie ist wirklich nachhaltig. Sie kann die Entwicklung einer Stadt im Lauf von Jahrzehnten vorantreiben, so wie das einst im alten Athen der Fall war.

Nächstes Jahr im Juli ist es wieder zu erleben,
das Schultheaterfestival in Ingolstadt.

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