Ein Stadtrat fliegt raus.

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Der Markt Kösching lud vor geraumer Zeit Geisenfelds Stadträte zur Marktfeier ein.

Was die können das können wir schon lange dachte sich Stadtrat Schranner von der CSU und stöberte fortan in historischen Materialien.

Und sein Stöbern war von Erfolg gekrönt. Er entdeckte die Grundlage dafür, dass wir im Jahr 2010 in Geisenfeld 700 Jahre Marktjubiläum feiern können. „Geisenfelt, der marcht“ wurde erstmals im Jahre 1310 erwähnt. Der Stadtrat kam in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause überein, zur Ausgestaltung der Feierlichkeiten einen Ausschuss aus den Mitgliedern des Bürgerfestausschusses und dem Historischen Zirkel zu bilden. (Bürgerfestausschuss= Volksfest- und Kulturausschuss)

Es ging also voran mit den Vorbereitungen zu den festlichen Aktivitäten des Marktjubiläums. Am 30. September 2009 erging vom Bürgermeister erneut eine schriftliche Einladung zu einer weiteren Vorbesprechung zum Thema. Ort: Sitzungssaal des Rathauses. Zeitpunkt: Dienstag, 6. Oktober 2009, 19:00 Uhr.

Eingeladen: Herr Stadtrat Johann Schranner.

Als Schranner an diesem Dienstag um 19:00 Uhr den Sitzungssaal betrat, ließ ihn Bürgermeister Christian Staudter wissen, er lege keinen Wert auf eine Zusammenarbeit mit ihm und verwies ihn des Saales. Er schmiss Schranner raus. Dieser hatte weder randaliert, noch auf den Boden gespuckt oder sich in irgendeiner Form regelwidrig verhalten. Schranner hatte nur das getan, was der Bürgermeister von ihm erwartet hatte. Er war zu einem anberaumten Termin erschienen.

Betrachtet man diesen Vorfall als singulären Vorgang, losgelöst von etwaigen, die Arbeit des Ausschusses nicht betreffende Vorgeschichten, könnte man das Verhalten des Bürgermeisters eventuell medizinisch würdigen.

Zwei Tage nach dem Rauswurf Schranners ließ der Bürgermeister seine sehr eigene Sicht der Dinge über die Presse verlautbaren. Er lege in solchen „inoffiziellen“ Gremien wie diesem „Arbeitskreis“ auf die Mitwirkung Schranners keinen Wert mehr. Auf absehbare Zeit sei eine Zusammenarbeit „auf freiwilliger Basis“ mit Schranner nicht möglich.

Was er da mitteilte, war nichts anderes als die verbale Wiederholung seiner vorangegangenen Handlung. Mehr kam da nicht. Hatte man als Bürger auf eine Begründung seines nicht nachvollziehbaren Auftritts gewartet, so wurde man enttäuscht.

Sind mit Staudters Amtsantritt im Rathaus längst überwunden geglaubte „wilhelminische Zustände“ gleich mit eingezogen?

Dient des Bürgermeisters Leitspruch „Praesis, ut prosis, non ut imperes*“ nur als Feigenblatt für seine gewöhnungsbedürftigen Umgangsformen, wenn er den Leitspruch, z.B. bei Jahresrückblicken als Richtschnur für seine Amtsführung auffallend oft betont?

* Steh an der Spitze um zu dienen, nicht um zu herrschen. (Bernhard v. Clairvaux)

Er diente weder der Stadt noch den Bürgern, als er den Stadtrat in herabwürdigender Weise aus der Sitzung des Ausschusses warf. Mit dem Rauswurf diente er nur sich selber. Besser gesagt: seinem verletzten Ego. Was hatte des Bürgermeisters Ego verletzt? Was wurde ihm angetan?

Nach des Bürgermeisters Lesart ereignete sich bei der Ausübung „seiner Pflicht“ als Bürgermeister ein „unerhörter Vorfall„. Er wurde weder zu einer erweiterten Ausschusssitzung der Jagdgenossenschaft Geisenfeld eingeladen, noch durfte er, als er dort trotzdem ungebeten auftauchte, seine Sicht der Dinge erläutern. Dinge erläutern? Aus dem Einladungsschreiben der Jagdgenossenschaft, von dessen Inhalt er Kenntnis erlangte, ging hervor, man werde sich über Grundstücksangelegenheiten wegen der geplanten Nordumgehung unterhalten. Die betroffenen Grundstückseigentümer wollten das weitere Vorgehen beim bevorstehenden Grunderwerb juristisch bewertet wissen und dies besprechen.

Nach dem Selbstverständnis von Christian Staudter war es geradezu seine Pflicht, als Bürgermeister auch uneingeladen die Versammlung „zu informieren“ und „Dinge klarzustellen, sollten sie dort einseitig vermittelt“ werden. Das er das bei drei noch folgenden „öffentlichen“ Info-Veranstaltungen sowieso noch vorhatte, kümmerte ihn dabei nicht.

Und so kam was kommen musste: Kaum hatte er die Versammlung betreten, wurde ihm eröffnet, er könne zwar ein Grußwort sprechen, jedoch müsse er danach diese „nicht öffentliche“ Sitzung wieder verlassen. Da Versammlungsleiter in der Regel höfliche Leute sind, spendierte man dem Bürgermeister noch ein süffiges „Augustiner Hell“ und wartete. („Augustiner Edelstoff“ gibt es nur für eingeladene Bürgermeister)

Der Bürgermeister nutzte die ihm gestatteten Minuten zur Steigerung seiner Beliebtheit.

Absolute Frechheit“ wie man bei diesem „konspirativen Treffen“ mit ihm umgehe. Selbst das Bier hielt es nicht mehr in der vor ihm stehenden Flasche, und so sprudelte es munter aus dem Flachenhals. Nach längeren Verbalattacken verließ Staudter schließlich doch, wenn auch polternd, die Versammlung. Um geraume Zeit später erneut die Tür aufzureißen um vorher verschluckte Argumente nachzuschieben. Schließlich ging er endgültig. In der Versammlung klang sein autoritärer Auftritt noch etwas nach.

In Kenntnis dieses Auftritts bekommt der, nur einen Tag später vom Bürgermeister vollzogene Rauswurf des Stadtrats Schranner eine neue Bedeutung.

Der Rauswurf war die Retourkutsche eines in seiner Eitelkeit gekränkten Ichlings.

Es war Stadtrat Schranner, der in seiner Funktion als Jagdvorsteher Schranner zu der nichtöffentlichen Veranstaltung der Jagdgenossenschaft einlud. Da Bürgermeister Staudter nicht zur Jagdgenossenschaft gehörte, gab es auch keine Veranlassung, ihn zu dieser „internen“ Sitzung einzuladen. Zumal es in dieser Sitzung um eine Positionierung gegenüber einem städtischen Vorhaben ging. (In der Stadt -so wird gemunkelt- ist es längst ein offenes Geheimnis, das Bürgermeister Staudter zuweilen uneingeladen und unangekündigt auf Versammlungen auftaucht, von denen er glaubt, es wäre ihm qua Amt erlaubt, dort seine Sicht der Dinge kundzutun)

Halten wir fest:

Der Bürgermeister war zur „nichtöffentlichen“ Sitzung der Jagdgenossenschaft nicht eingeladen!

Stadtrat Schranner war zur Ausschusssitzung des Bürgerfestausschusses im Rathaus eingeladen!

Versuchen wir einzelnen Wörtern/Äußerungen auf den Grund zu gehen. Wenden wir unser schulisches Wissen an (nicht das Wissen aus der Berufsschule, das reicht eventuell nicht)

Einladung ist das Gegenteil von Ausladung und das Antonym von: Nichteinladung

offiziell ist ein Synonym von: dienstlich, behördlich, öffentlich und das Antonym von: inoffiziell

inoffiziell ist das Synonym von : außerdienstlich, intern, vertraulich, nicht öffentlich und das Antonym von: offiziell

konspirativ ist das Synonyme von: geheim, illegal, ungesetzlich (suchen sie selber nach einem Antonym, viel Glück dabei)

Abschließend kann man erkennen:

Der Rausschmiss des Einen kann nicht zwangsläufig zum Rausschmiss des Anderen führen!

Außer man biegt sich etwas zurecht. Oder man hatte einen schlechten Tag.

Und da jeder mal einen schlechten Tag haben kann (trotzdem sollte man sich als in der Öffentlichkeit Stehender zusammenreißen können) gaben wir uns in unserem Kulturraum die Möglichkeit der Entschuldigung.

Ein Stadtrat vertritt die Bürger seiner Stadt. Wenn dem mich vertretenden Stadtrat Schranner übel mitgespielt wurde, erwarte ich vom Übeltäter eine Entschuldigung.

Herr Bürgermeister, entschuldigen sie sich! coram publico!

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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