Mehrzweckhalle -Beharrungsvermögen kontra Schuldenfalle

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„Das ist jetzt meine Fünfte Stadtratsperiode. Die Entscheidung über eine Beteiligung an der Mehrzweckhalle wird dabei meine schwerste Stadtratsentscheidung sein“. Mit dieser Aussage brachte Stadtrat Franz Wittmann seine Stimmungslage auf der Stadtratssitzung vom 20. Mai 2010 auf den Punkt. Angesichts eines magersüchtigen Stadtsäckels kommt der Wunsch von Bürgermeister Christian Staudter, sich mit einer „eigenen“ Parzelle am Bau einer 3-fach-Turnhalle zu beteiligen, zur „Unzeit“. Zumal für Staudter nur die Beteiligung am Bau der Variante „Mehrzweckhalle“ in Frage käme. Welche von den 8 auf der Sitzung vorgestellten Planungen am Ende den Zuschlag erhalten würde -federführend ist hierbei immer nur das Landratsamt- wäre zweitrangig:  Hautsache „Mehrzweckausstattung“!

Müsste beim Bau der 3-fach-Turnhalle jeder der 3 Turnhallenbauer ca. 1,5 Millionen Euro investieren (Förderschule, Landratsamt, Stadt Geisenfeld) so dürfte Geisenfeld für die Ertüchtigung zur „Veranstaltungshalle“ zusätzliche 700.000 Euro drauflegen. Eine 2,2 Millionen Investition für Geisenfeld, für die es, mangels wirklichem Bedarf, keinerlei Zuschüsse geben wird. Gabriele Bachhuber, Geisenfelds 2. Bürgermeisterin, sprach aus, was viele Sitzungsteilnehmer insgeheim umtrieb.„Sind wir doch ehrlich. Unter anderen Umständen hätten wir die Beteiligung am Hallenbau schon längst beschlossen. Aber unter der sich abzeichnenden finanziellen Situation….“.

Eine, wie für Geisenfeld geplante 3-fach-Halle (27 x 45  Meter)

Klicken sie auf das Bild, und besichtigen sie in der nun Bildschirmfüllenden 3-D Aufnahme diese Halle von innen.

Einige der Stadträte betrachteten -ausweislich ihrer Argumentation- ihre Investitionsentscheidung aus einer stark vereinfachenden Perspektive. Begründeten die Gegner der Beteiligung ihre Ablehnung mit überprüfbaren Argumenten

-bei den derzeitigen Rücklagen mittelfristig nicht bezahlbar,

-kein Verein hatte Bedarf angemeldet und jeder konnte 2009 in den bestehenden 5 Hallen ausreichend Kapazität belegen,

-der „Sport“ käme, so Sportreferent Günter Reith, mit der 2-fach-Halle sehr gut zurecht

ergingen sich die Befürworter -mangels tragfähiger Argumente- allesamt in emotionalen Allgemeinplätzen und vereinzelt in küchenpsychologischen Verknappungsstrategien.

„Geisenfeld wächst“

(Aber nicht die städtischen Einnahmen. Was sagt das Einwohnermeldeamt zum Niveau der Bevölkerungsentwicklung? Selbst die Schulbehörde sieht kein ausreichendes Wachstum. Deshalb gibt es ja auch keinen Zuschuss)

„Heute können wir noch bauen, in 2 Jahren nicht mehr“

(Müssen es aber nicht. Bei einem Rücklagen-Rest von ca. 200.000 € im Jahr 2010 bleiben 2 Millionen nicht gedeckt. Wie verschuldet wären wir erst in 2 Jahren?)

„Der Vereinssport hat „enormen“ Bedarf“

(Warum hat dies bisher keiner gesehen -Nachweise sind nicht vorhanden)

„Andere Gemeinden sind weiter als wir“

(Richtig. Zum Beispiel mit ihrem Schuldenstand.

Pro Kopf Verschuldung 2008 (Zahlen vom Stat. Landesamt Bayern)

Hallenbauer Rohrbach: 277,- €

Hallenbauer Vohburg : 308,- €

Stadt Pfaffenhofen: 559,- €

Mustergemeinde Wolnzach: 790,- €

Geisenfeld: 71,- €

„Das ist eine Investition in die Zukunft“

(Eine absolute Binsenweisheit. Jede Investition, ob sinnvoll oder nicht ist in die Zukunft gerichtet. Wer schafft es schon, in die Vergangenheit zu investieren? Und was könnte die Zukunft sonst noch bringen: Gebührenerhöhungen, Schlaglöcher usw?)

In einer kleinen, 8000 Einwohner zählenden Schweizer Gemeinde (Biberist im Kanton Solothurn) hatte man offensichtlich Bedarf. Die Sportvereine ließen sich dazu etwas einfallen. Im Gegensatz zu Geisenfeld, führten die Betroffenen sehr augenfällig vor, dass ihrer Meinung nach etwas fehlte.

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Darüber kam es im September 2009 schließlich zur Volksabstimmung (2-fach oder 3-fach-Turnhalle) Dabei wurde mit nur 20 Stimmen Mehrheit für die 3-fach-Variante votiert. Bemerkenswert daran ist aber die sogenannte „Botschaft“, eine sehr ausführliche, 16-seitige Aussendung des Bürgermeisters an alle stimmberechtigten Gemeindebürger. Im Gegensatz zur Geisenfelder Rathauspolitik (versuchen sie mal auf der städtischen Homepage an wirklich bürgerrelevante Informationen zu kommen) klärte die Biberister Gemeindeverwaltung seine Bürger über alle relevanten Aspekte der Halleninvestition auf.

Klicken sie auf das Bild und laden sie sich diese -den Bürger wirklich ernst nehmende- Information als pdf-Dokument herunter.

Politische Entscheidungen, die Gelder oftmals für Jahre binden, gibt das „Institut für kooperative Planung und Sportentwicklung“ in seiner Handreichung „Ermittlung des Sportstättenbedarfs“ zu bedenken, „sollten sich auf objektiv ermittelte Bedarfe stützen und sich nicht nach dem Motto richten, wer am lautesten schreit, wird als erster bedient“. Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der knapper werdenden finanziellen Mittel sind Investitionen gut zu begründen. Partikularinteressen oder gute Kontakte in politische Gremien dürfen kein Ersatz für fundierte Bedarfsanalysen sein.

Doch Geisenfelds Bürgermeister begründet nichts. Bedarfe werden einfach „gefühlt“ oder schlichtweg nur erwartet. Sehen die Verantwortlichen im Rathaus überhaupt die zukünftige Entwicklung im kommunalen Sport- und Freizeitsektor?

Erkennt die kommunale Sportpolitik überhaupt -zusätzlich zum neuen „Bewegungspark an der Ilm“- die Veränderung sportiver Lebensstile, der u.a. in der Rückgewinnung öffentlicher Räume für Bewegung und Sport, beispielsweise durch Radfahren, Laufen oder Skaten, seinen Ausdruck findet?

Wer seine Skier zu Hause lässt, aber mit beiden Stöcken und offenen Augen durch die Landschaft geht, bewegt sich im Mittelpunkt eines Jahr für Jahr zunehmenden Trends: Abseits verwaister Turnhallen bevölkern Radfahrer, Jogger, Skater oder Nordic-Walker die Natur. (oder kommen in zunehmenden Maße zum 24h-Lauf oder zum Hopfentriathlon nach Geisenfeld)

Sollen Geisenfelds Bürgerinnen und Bürger mit einer unsinnigen „Mehrzweckhalle“ die große Bühne für ihren Bürgermeister bezahlen und danach die Zeche dadurch bezahlen, dass die Infrastruktur nicht erhalten und die Pflichtaufgaben ihrer Kommune ohne mittelfristige Gebührenerhöhungen nicht erfüllt werden können?

Wer Geisenfelds Bürgermeister zuletzt im Stadtrat und bei anderen, zurückliegenden öffentlichen Auftritten erleben durfte, kann sich eines Eindrucks nicht erwehren:

Eine große Bühne braucht er nicht. Er kommt schon mit kleinen nicht sonderlich gut zurecht!

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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