In Jahresrückblicken findet der Bürger äußerst selten den unverstellten Blick auf die Realität. Da trifft es sich gut, von einem unbestechlichen Beobachter der heimischen Rathauspolitik einen etwas anderen Blick auf das Jahr 2010 zu bekommen. „Onkel Albert“, unvergessen seit seinem den Landkreis behandelnden Jahresrückblick „Die Minderleister“ im Jahr 2008, betrachtet diesmal ausschließlich den Geisenfelder Bürgermeister.
Der ICH-ling.
Oder warum sich „Wicht“ nicht von „wichtig“ ableiten lässt!
(eine Polemik auf 11 Seiten – von ONKEL ALBERT)
(Hier können sie den kompletten Jahresrückblick als pdf-Datei downloaden)
„Man muss die Freiheit haben, alles zu sagen, damit gewissen Leuten die Freiheit genommen wird, alles zu tun.“ LOUIS TERRENOIRE, Politiker und Journalist
In Jahresrückblicken finden sich äußerst selten Passagen, die man mit Zwangsabgaben, Mittelmaß oder gar Freakshows in Verbindung bringen könnte. Schon eher finden sich darin starke Hinweise auf außergewöhnlichen Einsatz für das Gemeinwohl und tatkräftiges, meist alternativlos gebotenes Handeln. Manch gnädige Bewusstseinstrübung erlaubt es dem Verfasser, über 12 untadelige Monate seiner Leistungsbilanz zu reflektieren.
Einfach verfasst, aber mehrfach gedruckt, verspürt mancher Bürger dabei den Wunsch, einigen dieser Ausscheidungen die papierene Grundlage zu entziehen und auch außerhalb Stuttgarts „Baumschützer“ zu werden.
Auch Geisenfelds Bürgermeister verbreitete am Ende des Jahres 2010 seine Sicht der Dinge.
Wie in jedem Jahr seiner bisherigen Amtszeit, tat er dies in mehreren Versionen. „Ein ereignisreiches Jahr liegt hinter uns“ erkannte er messerscharf im ersten Halbsatz des ersten Wurfblattes. Um ihn mit einem prophetischen „und ein noch ereignisreicheres bestimmt vor uns“ zu beenden. Vollends ins Überirdische begab er sich mit dem ersten Satz der zweiten Version seines Jahresrückblicks. „Gott sei Dank hatten die Pessimisten nicht recht, die für das Jahr 2010 ein düsteres Szenario prophezeiten.“ Bezog er sich dabei noch auf die Prognosen für die gesamte Bundesrepublik, wurde er in einer dritten Version seines Rückblicks, diesmal auf der Jahresschlusssitzung des Stadtrats, örtlich konkreter.“2010 war für unsere Stadt ein gutes Jahr.“ Und als wenn er gemerkt hätte, hier gewaltig übers Ziel hinauszuschießen, schob er relativierend hinterher:“Besser jedenfalls, als wir es uns zu Beginn vorgestellt haben.“
Momentan sei „Geisenfeld bundesweit in den Schlagzeilen“, sogar „bundesweit in den Medien“. Gemeint war damit der Auftritt einer singenden 15-jährigen Schülerin aus Geisenfeld, deren durchaus ansprechende Gesangsdarbietung Teil der RTL-Casting-Show „Das Supertalent“ war. Leider verortete der Sender im Vorbericht „das schüchterne Talent aus Pfaffenhofen“ weder in Geisenfeld, noch ging der mediale Zuspruch über krawallige Boulevardformate in Print und Funk hinaus. Zurecht, wie die „Dschungel-Camp“ erprobte Moderatorin Sonja Zietlow in ihrer RTL-Sendung „Die 25 emotionalsten TV-Momente des Jahres“ bemerkte. Das „Supertalent“ sei besonders in diesem Jahr „eine reine Fraekshow gewesen“.
Der Kulturbegriff
Und mittendrin Geisenfelds Bürgermeister. War er doch höchstpersönlich mit seiner Gattin, der städtischen „Kulturbeauftragten“ nach Köln zur Vorentscheidung angereist. Zuvor wurde auf der städtischen Homepage noch Einschaltquoten treibende Werbung für den -kommerziellen- „RTL-Quotenrenner“ betrieben und in Geisenfelder Geschäften und per Postwurfsendung ein mit Stadtwappen aufgepeppter Aufruf zum Telefonvoting verteilt.
(eine Verwendung des Stadtwappens auf ihren Produkten mussten sich Geisenfelds Imker dieses Jahr ausdrücklich vom Stadtrat genehmigen lassen)
Am Ende reichte es nur für die Teilnahme am Finale und endete statt mit einem Sieg in der „Casting-Show“ für die Familie der jugendlichen Sängerin mit einem Schock. Dreiste Einbrecher hatten die Abwesenheit wegen des Showtermins zu einem Einbruch genutzt.
Und was brachte diese „Kulturveranstaltung“ den Geisenfelder Bürgern und besonders dem „kulturbegeisterten Bürgermeisterehepaar“? Einiges! In einer kurzen, zugegeben sehr kurzen Einblendung konnte man in der Livesendung den Bürgermeister mit seinem bekannten Cheshirekat Lachen erspähen, wie er sich köstlich zu amüsieren schien.
Hatte es nur den Anschein, oder gingen hier Darbietung und sein Verständnis von Kultur die vermutete Symbiose ein? Da wechselten sich mehr oder minder gelungene Gesangs- mit zweifelhaften Varietédarbietungen ab. Eine 49-Jährige aus den USA zerschmetterte mit ihren 20 Kilo-Brüsten Bierdosen, eine Wassermelone und Holzbretter. Eine lebende Wasserfontäne trank in Rekordgeschwindigkeit Unmengen an Wasser und beförderte diese auf skurrile Art wieder nach oben. Salatgurken und Melonen wurden von einem mit Augenbinde versehenen Samurai-Schwert-Schwinger zerstückelt und ein Gehörloser bot eine Tanzeinlage.
Alles Vorboten der demnächst erneut stattfindenden Geisenfelder Kulturtage? Geisenfeld wird es abwarten können.